Zitat aus Spiegel Online vom 23.06.2006 KLIMAANLAGEN Kühlen Kopf bewahren Ob Mercedes oder Mazda: Klimaanlagen gehören heute in vielen Autos zum Standard. Doch der richtige Umgang mit der Technik erfordert mehr als einen Knopfdruck. Wer nicht regelmäßig einen Blick auf die Anlage wirft, kann böse Überraschungen erleben - vor allem als Allergiker. Landsberg/Stuttgart - Klimaanlagen gehören zu jenen Ausstattungsdetails im Auto, die eine erstaunliche Karriere gemacht haben. Galten sie vor nicht allzu langer Zeit noch als Extra, das sich vor allem in hochpreisigen Fahrzeugen fand, sind sie mittlerweile bis zu den Kleinstmobilen nahezu selbstverständlich. Kaum jemand mag mehr auf den Komfort verzichten, auch bei stärkster Sonneneinstrahlung angenehme Temperaturen vorzufinden. Doch so verbreitet Klimaanlagen auch sind - über den richtigen Umgang damit und die notwendige Wartung macht sich kaum jemand Gedanken. "Grundsätzlich ist eine Klimaanlage im Hinblick auf ihre Haltbarkeit auf ein komplettes Autoleben ausgelegt", versichert Hubert Paulus vom ADAC-Technikzentrum im bayerischen Landsberg. Das heißt aber nicht, dass sie diese Zeitspanne auch ohne Wartung und Pflege übersteht. So sorgt in dem System ein Kühlmittel für die gewünschte Leistung. Es gibt aber bis heute keine Anlage, die über das gesamte Fahrzeugleben hinweg absolut dicht ist. Laut Wolfgang Schmidt, Techniker beim Klimaanlagen-Hersteller Behr in Stuttgart, kommt es mit der Zeit zu einem gewissen Verlust des Kühlmittels. "In einem Kühlschrank hat man ein hermetisch abgeschlossenes System", erläutert Schmidt. Es gibt dort normalerweise keine Bereiche, in denen das Mittel den Weg nach außen findet. "In Fahrzeugen dagegen arbeitet man mit Schläuchen und Verbindungsstücken." Da das eingesetzte Kühlmittel laut Schmidt sieben Mal dünner ist als Luft, kommt es an den Verbindungen immer mal wieder zu Verlusten. "Man kann in aller Regel davon ausgehen, dass die Werksfüllung nach vier bis fünf Jahren schwächelt." Regelmäßig den Filter wechseln Die Anlage läuft dann noch mit etwa 60 Prozent ihrer Leistung, was für die Insassen spürbar ist - und oft zur Schlussfolgerung führt, die Anlage sei defekt. Tatsächlich lässt sich das Problem in Fachbetrieben beheben, die die Restmenge des Mittels absaugen und die Anlage wieder auffüllen. Das Kältemittel selbst altert dagegen kaum. Es hält sich laut Schmidt 30 Jahre und wird daher beim Absaugen recycelt. Andere Bestandteile des Systems haben eine kürzere Lebensdauer. "Es ist ratsam, den Filter für die Innenraumluft vor der Saison auszutauschen", sagt Johannes Hübner, Sprecher des Automobilclubs von Deutschland (AvD) in Frankfurt/Main. Denn der Filter verschmutzt mit der Zeit, wodurch sich der Luftdurchsatz verschlechtert. Von Zeit zu Zeit kann noch ein umfangreicherer Service notwendig sein: Der Filter hat auch die Aufgabe, Pollen und Ähnliches festzuhalten. Diese finden sich aber nach einer gewissen Zeit ebenfalls in den Luftkanälen, was speziell bei Allergikern zu Problemen führen kann. Laut Hübner gibt es Unternehmen, die sich darauf spezialisiert haben, die Luftkanäle zu "spülen". Dabei werden Pollen und ähnliche Rückstände entfernt. Erst Klimaanlage, dann Motor ausmachen Ungemach kann für Insassen noch an anderer Stelle auftauchen: Auf dem so genannten Verdampfer können sich Bakterien und Pilze bilden, die für unangenehme Gerüche im Innenraum sorgen. Dieses Phänomen ist tief in der Technik begründet, lässt sich aber laut Paulus auf einfache Weise umgehen: "Damit es nicht zur Bakterienbildung und damit zu solchen Gerüchen kommt, ist es ratsam, die Klimaanlage am Ende einer Strecke auszuschalten, bevor das Fahrzeug selbst ausgeschaltet wird. In dieser Zeit sollte das Gebläse weiter laufen - es vernichtet dann eventuell vorhandene Restfeuchtigkeit." Bei neuen Anlagen setzen die Hersteller zusätzliche Hilfsmittel ein, um dem Geruchsproblem vorzubeugen. "Es werden Filter vor dem Verdampfer eingesetzt, um diesen vor Bakterien zu schützen", sagt Schmidt. Diese Filter zählen dann zu jenen Teilen, die von Zeit zu Zeit auszutauschen sind. Abgesehen davon weisen die Experten darauf hin, dass die Klimaanlage nicht nur im Sommer ein angenehmer Helfer ist. "Grundsätzlich entzieht sie der Luft Feuchtigkeit", erläutert Hübner. Gerade die kalte Jahreszeit ist meist auch eine feuchte Jahreszeit - die eingeschaltete Klimaanlage schützt dann unter anderem vor beschlagenen Scheiben. Kühlung braucht mehr Benzin Speziell ältere Anlagen können so außerdem vor Defekten geschützt werden. "Regelmäßiges Einschalten ist gut für die Technik", sagt Paulus. "Die Dichtungen müssen benetzt werden, damit sie nicht spröde werden. Das bedeutet, dass es zu Undichtigkeiten kommen kann, wenn die Anlage lange Zeit - zum Beispiel den ganzen Winter - nicht benutzt worden ist." In neuen Modellen ist dies laut Schmidt dagegen nicht mehr unbedingt nötig - weil die Anlage oft auch im Hintergrund mithilft, ohne dass sie "offiziell" im Einsatz ist. Mittlerweile ist auch die Klimaanlage zu einem komplexen System geworden, das mit Hilfe von Elektronik und Sensoren arbeitet. Laut Schmidt ist es eher wenig hilfreich, immer wieder auf den Knöpfen und Reglern herumzudrücken, um die Anlage zu motivieren. Vielmehr brauchen die Sensoren eine gewisse Zeit, um ihre Messungen vorzunehmen und das nötige Vorgehen in die Tat umzusetzen. Eines aber hat sich bei allem Fortschritt nicht geändert: Der Einsatz der Klimaanlage führt zu einem Mehrverbrauch an Kraftstoff. Dabei handelt es sich zwar nicht um Unmengen. "Mit einem Mehrverbrauch von 0,3 Litern auf 100 Kilometer ist aber zu rechnen", so Paulus. man sollte sich also überlegen, wann der Einsatz der Klimaanlage nötig ist. Heiko Haupt, gms