ielen Dank für Ihre email. Wie realistisch sind Werksangaben zum Kraftstoff-Verbrauch? Eine Frage des (Er-)Messens Der Kraftstoffverbrauch gibt immer wieder Anlass zu heftigen Diskussionen unter smart Fahrern. Konsumiert das City-Car in der Praxis tatsächlich deutlich mehr, als die Werksangabe behauptet? Während die einen auf den bleiernen Gasfuß der Vielverbraucher deuten, ziehen andere die Wirklichkeitsnähe des Messverfahrens in Zweifel. Im folgenden finden Sie das Wissenswerte über Verbrauchsmessung und Verbrauchsgesetze sowie die wichtigsten Einflussgrößen auf den Kraftstoffkonsum zusammengefasst. Der Kraftstoffverbrauch ist ein zentrales Thema beim Zulassungsverfahren (Zertifizierung) von Pkw zum Straßenverkehr. Er wird auf dem Rollenprüfstand nach einem einheitlichen, genormten Verfahren ermittelt. Grundlage der Prozedur ist ein festgelegter Fahrzyklus, der eine kombinierte inner- und außerstädtische Tour unter Laborbedingungen nachvollzieht (siehe Abb. Neuer Europäischer Fahrzyklus NEFZ). Dabei wird das emittierte Abgas aufgefangen und wissenschaftlich analysiert. Neben den Schadstoffen (HC, NOx, CO und Partikel) läßt sich auch das ungiftige Kohlendioxid (CO2) mengenmäßig exakt bestimmen. Es wird in Gramm CO2 pro Kilometer angegeben. Daraus schließen die Messtechniker rechnerisch mit hoher Genauigkeit auf den Kraftstoffverbrauch. Dieses wissenschaftliche Messverfahren erlaubt den Vergleich von Verbräuchen und Emissionen aller Fahrzeuge untereinander. Um die realen Bedingungen wirklichkeitsnah auf den Prüfstand übertragen zu können, müssen die Messtechniker die Fahrwiderstände ihrer Testkandidaten kennen. Aufschluss über die Summe aus Luft- und Rollwiderstand sowie die übrigen mechanischen Reibungsverluste des Autos liefern Ausrollversuche: Der Fahrwiderstand lässt sich über die Geschwindigkeitsänderung in einem bestimmten Zeitfenster ermitteln, während das Testfahrzeug antriebslos auf ebener, trockener Straße dahinrollt. Neben den Fahrwiderständen muss auch die Fahrzeugmasse messtechnisch korrekt nachgebildet werden. Dies geschieht über die Variation der Schwungmasse der Prüfstandsrollen. Der Gesetzgeber teilt die Schwungmassen in Klassen ein. Für den smart liegt die Grenze zur nächst höheren Schwungmassenklasse bei 750 Kilogramm. Auf den Prüfstandslauf müssen sich die vierrädrigen Testkandidaten mit einer festgelegten Prozedur vorbereiten. Die letzten 12 Stunden vor Beginn der Messungen müssen sie in einem auf 20 Grad Celsius temperierten Raum mit einer bestimmten Luftfeuchtigkeit konditioniert werden. Für die Messung bekommen sie Testkraftstoff von definierter, eng tolerierter Zusammensetzung in den Tank gefüllt. Im Sinne besserer Vergleichbarkeit werden die Schaltpunkte für manuell zu schaltende Getriebe vorgeschrieben. Den Richtwert für den zu ermittelnden Verbrauch gibt der Automobil-Hersteller in g/km CO2 vor. Die zur Typprüfung vorgeführten Autos müssen mehr als 3000 Kilometer auf dem Zähler haben. Nach dem Einfahren, so zeigt die Erfahrung, verbessern sich die Emissionswerte erheblich. Regelmäßige, gesetzlich vorgeschriebene Qualitätskontrollen in der Automobil-Produktion sichern die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben ab. Die juristische Basis für die Ermittlung des Kraftstoffverbrauchs liefert die Richtlinie 80/1268/EWG. Für alle vor dem 11.9.2000 gebauten smart ist diese Richtlinie in der Fassung 93/116/EWG maßgeblich (EU2/D3). Alle danach produzierten Fahrzeuge fallen unter die Fassung 1999/100/EG (EU3). Im Abgasgesetz 70/220/EWG ist der Prüfablauf definiert. Für EU2/D3-Fahrzeuge gilt entsprechend die Fassung 96/69/EG und für EU3-Fahrzeuge die Fassung 1999/102/EG. Aus der anhand des Fahrzyklus (siehe oben) gewonnenen CO2-Menge werden die Kraftstoffverbräuche für den inner- und außerstädischen Bereich errechnet und daraus der kombinierte abgeleitet. Um zu überprüfen, ob ein individuelles Fahrzeug von den Zertifizierungswerten abweicht, ist eine Verbrauchsmessung nach den oben genannten Kriterien notwendig. Der tatsächliche Kraftstoffverbrauch kann von dem auf dem Prüfstand ermittelten deutlich abweichen. Dafür sind verschiedene Einflussfaktoren maßgeblich. -In erster Linie ist dies die individuelle Fahrweise. Hohe Drehzahlen in den einzelnen Gängen und Geschwindigkeiten nahe der Höchstgeschwindigkeit lassen den Verbrauch drastisch ansteigen. Der Luftwiderstand des Fahrzeugs erhöht sich, so wollen es die Gesetze der Physik, im Quadrat der Geschwindigkeit (smart: cw 0,37, Stirnfläche A: 1,95 m²). -Beim Cabrio erhöht sich bei geöffnetem Dach der Luftwiderstand ganz erheblich, was besonders bei höheren Geschwindigkeiten zu spürbarem Mehrverbrauch führt. -Zudem nimmt auch der abgeforderte Ladedruck erheblichen Einfluß auf die Trinksitten des smart. Viel Sauerstoff im Brennraum erfordert hohe Einspritzmengen. -Niedrige Drehzahlen mit hoher Last und moderate Geschwindigkeiten wirken dagegen dämpfend auf den Kraftstoffkonsum. Der smart begünstigt eine solche Fahrweise dank eines großzügigen Angebots an Durchzugskraft bereits bei mittleren Drehzahlen. Für das hohe Drehmoment zeichnet die Zwangsbeatmung des Motor mittels Turbolader verantwortlich. -Zum anderen nehmen aber auch die jeweiligen Außentemperaturen entschieden Einfluss auf den Verbrauch: Bei hohen Minusgraden läuft der Motor vergleichsweise lang unterhalb der optimalen Betriebstemperatur. Dies wirkt sich negativ auf den thermodynamischen Wirkungsgrad aus. Zudem muss das Kraftstoff/Luftgemisch bei niedrigen Temperaturen angefettet werden, um seine Zündfähigkeit sicherzustellen. -Auch die Verkehrssituation nimmt erheblichen Einfluss. Stop-and-go-Passagen fordern einen höheren Tribut an die Kraftstoffvorräte als eine Überlandfahrt mit nahezu konstanter Geschwindigkeit. -Negative Wirkungen auf den Fahrwiderstand und damit den Verbrauch verursachen auch der Betrieb der Klimaanlage, Winterreifen, Breitreifen, Reifen mit zu geringem Luftdruck oder ein Heckgepäckträger. Auch ein geöffnetes Cabrio-Verdeck erhöht den Luftwiderstand erheblich. -Diese und andere Abweichungen vom Serienstandard können erhebliche Wirkungen auf den Kraftstoffkonsum nehmen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass der smart mit rollwiderstands-optimierten Continental-Reifen zertifiziert wurde. Das volle Ausnutzen der dynamischen Möglichkeiten fordert seinen Tribut: Der smart wird spürbar mehr verbrauchen als es die Werks- angabe verheißt. Wer hingegen sein Temperament im rechten Fuß zu zügeln weiß, wird in der Realität sehr ähnliche Resultate erzielen können, wie sie die Techniker auf dem Prüfstand ermitteln. In diesem Sinn bewähren sich auch die in der Ganganzeige gelieferten Schaltempfehlungen: Wer ihnen folgt, wird den Normwerten sehr nahe kommen, sind sie doch direkt aus dem Fahrzyklus abgeleitet. Um den Preis der Vergleichbarkeit geht der Gesetzgeber mit dem Messverfahren jedoch auch einige unumgängliche Kompromisse ein. Während etwa ein smart mit gut 80 Prozent seiner möglichen Höchstgeschwindigkeit und hoher Last operieren muss, um dem vorgeschriebenen Geschwindigkeitsprofil zu folgen, bewegt sich ein Porsche Turbo bei der gleichen Übung im unteren Teillastbereich. Für den smart stellt der EU-Fahrzyklus mithin eine realistische Belastungsprobe, für den Renommiersportwagen hingegen eine Fingerübung dar.