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Martin

ein Smart in den USA

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New Yorker leben ein schnelles Leben. Sie hasten aneinander vorbei, springen fortwährend in und aus gelben Taxis, sind immer in Eile. Zeit haben sie eigentlich nur im Stau. Dann kommt es gerade recht, wenn auf der Nebenspur etwas völlig Unglaubliches steht. Zum Beispiel ein kleines grasgrünes Ufo mit exotischem Kennzeichen.

Doch New Yorker mit einem Auto zu verblüffen, ist nicht so einfach. Nach den "Stretched Limos", verlängerten Lincoln und CadillacLimousinen, dreht sich kein Mensch mehr um außer Touristen , obwohl die Luxuskutschen inzwischen gigantische Ausmaße erreicht haben. Und ein Traumrenner vom Schlage eines Ferrari oder Lamborghini ist sowieso nie zu sehen. Kein Wunder: In manchen Straßen lauern Schlaglöcher, die eine allzu filigrane Radaufhängung glatt pulverisieren können. Da musste schon diese kleine Kugel auf Rädern aus Europa kommen, damit gestandenen New Yorkern der Mund offen bleibt. Die Sensation von Manhattan Der Smart, in Deutschland vielerorts schon ein gewohnter Anblick, war an den paar Sommertagen, als die AUTO ZEITUNG ihn durch New York chauffierte, die Sensation von Manhattan. "Ich hab' euch gestern schon in der 6th Avenue gesehen", grinste etwa ein Motorradfahrer an einer Kreuzung zu uns herein. Mit den Schlaglöchern hatte der Smart kein Problem. Zwar wurde er von manchen fast verschluckt, wenn ein Vorderrad unverse hens in den Krater plumpste, aber der kleine Zweisitzer nahm diese Vorfälle bloß zum Anlass, seine Robustheit zu beweisen. "Pull over", sagte der Bulle auf dem Fahrrad, der sich in der 5th Avenue neben mich geschlängelt hat. Folgsam fuhr ich an den Straßenrand. "Wanna see your licence", log der Bulle. Was er wirklich sehen wollte, und zwar aus der Nähe und in aller Ruhe, war das giftgrüne Auto, nicht meinen zartrosa Führerschein. Seine Fragen waren so ziemlich die gleichen, die uns alle stellten:

"What kind of car is this?" frei übersetzt: "Was soll das denn sein ?' Standardantwort:

"Ein Smart."

Verständnislose Gesichter ließen mich diese Antwort im Laufe der Woche modifizieren: Jt's called Smart, a European city car from a company owned by Mercedes." Das machte Eindruck. Nur einmal probierte ich "by DaimlerChrysler", erntete jedoch ein dankbares "Aah, Chrysler!" EI "Ist das ein Elektroauto?" Standardantwort: "Nein, Benzinmotor, drei Zylinder, mit Turboaufladung." Beim Wort "turbocharged" grinsten die meisten. Viele fragten, ob der Smart ein englisches Auto sei, einige hielten ihn für einen Japaner und einer aus unerfindlichen Gründen für ein dänisches Produkt. "Was kostet das Ding?" Standardantwort: "Rund 10 000 Dollar, gibt's aber nur in Europa." Dabei befanden sich zu diesem Zeitpunkt drei Stück in den USA: unser Testwagen, ein Ausstellungsstück im Museum of Modern Art (MoMA), und auch DaimlerChrysler Chef Bob Eaton hat einen Smart.

Allgemeines Erstaunen herrschte über die Billigkeit des Wägelchens. Drei Passanten versuchten, uns den Testwagen abzukaufen, einer bot gar 20 000 Dollar. Cash. Aber wir widerstanden der Versuchung.

New Yorker sind aufgeschlossene Leute. Außer dem Fahrrad Cop in der 5th Avenue suchten immer wieder Taxifahrer, LimousinenChauffeure, livrierte Hotelportiers, Bus Fahrer oder normale Stau Nachbarn das Gespräch an der roten Ampel sowieso, aber auch im rollenden Verkehr. Nur im engen Straßengewirr rund um

die Wall Street, im Financial District, hasteten die Menschen vorbei, ohne uns anzusprechen.

Tauschangebote waren zwecklos Ein rothaariger Polizist, der dort mit einem kleinen dreirädrigen Moped unterwegs war und die Parkuhren kontrollierte, hielt uns auf Er konnte kaum fassen, was er da sah, fragte uns Löcher in den Bauch und musterte sein klappriges Vehikel, in dem er seine Runden drehen musste. Es war ihm ins Gesicht geschrieben, was er dachte. Aber wir tauschten nicht.

Ein offenbar wohlhabender dunkelhäutiger BMW Fahrer verfolgte uns kilometerweit, hielt schließlich neben dem Smart und erzählte uns mit Lachtränen in den Augen, wie komisch wir aussähen, wenn wir kreuz und quer über alle Fahrspuren hinweg durch den Verkehr wieselten. New Yorker sind eben ehrliche Menschen.

So geradeheraus wie der Typ, der auf den Stufen eines Hauses saß und ebenfalls einen Lachanfall bekam, während wir im Stau langsam vorbeikrochen. Manche New Yorker hielten den Smart für einen Scherz.

Die meisten lachten aber nicht über das kleine Auto, sondern lachten ihm zu. In New York fand der Smart

viele Freunde. Nicht, weil er so kurz ist Parkplätze gibt es in Manhattan ohnehin kaum mehr, nicht einmal kleine.

Auch wir fuhren mit dem Smart in Parkhäuser oder auf bewachte Parkplätze, deren Angestellte die vorfahrenden

Autos übernehmen und irgendwie ein schlichten.

Diese Boys grinsten zwar, als sie sich in den Smart schwangen, doch das verging ihnen, sobald sie die sequentielle Sechsgang Schaltung mit einem herkömmlichen Automatikgetriebe verwechselten. Automatik gewöhnte Fahrer vermissen das "Kriechen" bei eingelegtem Gang, doch die Kupplung greift erst bei erhöhter Drehzahl.

Der Smart könnte Erfolg in New York haben, weil er "cute" ist in den Augen der Amerikaner, einfach süß. Doch MCC winkt ab, an einen Export in die USA ist derzeit nicht gedacht. New York muss noch warten.

Auto Zeitung 20/99

 

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