Roms neue Vespas

[Martin]

Reduce to the Max? Lifestyle Spielzeug? Minimalkarre? "No, Signore", sagt Sandro Bufacchi (51), der erfolgreichste smart﷓Händler der Welt Rolex, Prada, Brioni ﷓ das ist die Liga, in der smart in Rom spielt Prestige, Kult Top﷓Niveau~ Das Beste, was man für Geld kaufen kann."

So kann sich das Blatt wenden. Gestern noch ein Umfaller, ein Bastard, der nur Sorgen machte, Geld und Renommee kostete. Heute der Liebling der Lebenslustigen, der Trendsetter und Zeitgeistgetriebenen. Und der modebewussten Römer.

smart ist schwer im kommen, so viel steht fest. Selbst im spröden, vernunftbetonten Deutschland, wo der Winzling seinen Marktanteil im Halbjahresvergleich nahezu verdoppeln konnte ﷓ auf jetzt 1,14 Prozent. Und ganz besonders im lebenslustigen, herrlich lässigen Italien, dem Land der Vespa.

19 100 smart konnte die DaimlerChrysler﷓Tochter MCC 1999 in Italien absetzen ﷓ ein Viertel der Gesamtproduktion, Unangefochtener Spitzenreiter ist zwar Deutschland. wo jeder zweite gebaute Cityfloh zu Hause ist (siehe Grafik). Aber das könnte sich bald ändern: 22 300 im ersten Halbjahr 2000 verkauften"Teutonen"﷓smart stehen 15 700 Aolce vita"﷓Mobile entgegen. Und nirgends sonst auf der Welt sind sie so gefragt und beliebt wie in der Stadt auf den sieben Hügeln ﷓ Roma.

Überall inmitten dieses einzigartigen, wunderbar lebendigen Chaos von Antike und Modeine sind sie zu finden﷓ Kleine bunte Punkte im Gewusel der

2500﷓jährigen Milfionen﷓Metropole. Sie huschen am Kolosseum vorbei, klettern den Aventin hinauf, fahren entlang der Spanischen Treppe, um den Potemdom und kommen schließlich neben dem Kapital für einen Moment zur Ruhe.

Quer geparkt, wie sonst? Schließlich sind sie kaum länger als eine Vespa, jahrzehntelang der Inbegriff italienischer Großstadt(fort)bewegung. Und die stehen schließlich auch vorm Bordstein, nicht daneben. Wie es sich in Rom gehört ﷓ und bei uns mancherorts noch immer 30 Mark kostet (siehe Seite 20).

Schöne, elegante, schwarz gelockte oder blond gefärbte Menschen entsteigen ihnen. Gegelte und Dauergebraunte, Normalos und solche, die auf Atemlänge jedem Trend hinterherjagen. Wie die bella bionda im ganz kurzen Rock und der grau Melierte im Sommerleinen. Gestern schwörten sie noch au Motorroller oder Cinquecento Heute sitzen sie im dreizylindrigen Zweisitzer, der sogar Polizisten ten den Streifendienst versüßt. Was ist hier los?

Sandro Bufacchi, Präsiden von 110 europäischen smart Händlern und Vizepräsident von 1101 europäischen Mercedes-Händlern, weiß es: .Die Ewige Stadt ist im smart﷓Rausch. 252 Prozent Wachstum gegenüber dem Vorjahr, 4283 Verkäufe im ersten Halbjahr. Rom liegt mit weitem Abstand vor den Standorten Stuttgart﷓Leonberg. Stuttgart﷓Esslingen und Berlin, wo es gerade mal um die 1500 waren." Oder vergleichsweise kümmerliche 954 wie in Paris.

Santa Madonna! Was treibt sie an, die Römer? Sandra di Tomaso (28), Chefsekretärin in einer Werbeagentur, schiebt die Sonnenbrille in die Locken: "Kennen Sie ein schöneres Auto für einen Single? Und haben Sie schon einmal mitten in Rom nach einem Parkplatz gesucht?`

Bulacehn, der mit neun Mercedes﷓ und smart﷓Niederlassungen im vergangenen Jahr einen Umsatz von 400 Millionen Mark machte, hat noch eine andere Erklärung: "Im Gegensatz zum Rest der Welt habe ich den smart von Anfang an als vollwertigen Mercedes gesehen. bewurben und vermarktet. Nix Micro Compaet Car, nix Swatch﷓Projekt. Kein Kleinwagen wie Ka, Lupo, Twingo und Seicento, sondern eine Klasse für sich. Ein puro piccolo Mercedes. Das war entscheidend für Rom."

Wie auch für die anderen italienischen Großstädte, wo Menschen seitjeheran dem Problem bosseln müssen, auf kleinstem Raum größte individuelle Mobilität zu bewahren. 1264 Einheiten gingen dieses Jahr bislang nach Neapel, 1177 nach Palermo, 1069 nach Mailand. In Rom liegt der Marktanteil des smart mittlerwefle bei 1,54 Prozent, Leben Totgesagte länger in der Nähe des Heiligen Vaters?

Don Bufacchi, seit 30 Jahren im Geschäft mit Produkten aus Stuttgart,lächelt:,Sagenwir es so: Wir hier in Italien haben den smart mit Mund﷓zu Mund﷓Beatmung reanimiert"

Die Aufpäppelung des noch 1999 reichlich siechen Patientau gelang vor allem mit der konsequenten Parole smart

Mercedes". Und mit völlig =konventionellen Verkaufsstrategien. Wie zum Beispiel dem Deal mit den Banken.

Alle 1200 Filialen der Banca di Roma gewähren Kredit für den Kauf eines smart. Rückzahlung? Wann und wie mm will. Bei der Barica 121 bekommt jeder einen smart geschenkt (1), der einen 15 Jahre laufenden Kredit in Höhe von 300 000 Mark aufnimmt. Und die Banca di Asolo stellt jedem, der mindestem 200 000 Mark in einen Fonds investiert, ein Jahr lang einen smart zur Verfügung, inklusive Kfz﷓Steuer.

,Über diesen Einfallsreichturn. kam mm nur staunen", sagt anerkennend ein Mann, der selbst alles andere als ein heuriger Hase beim Verkaufen von Autos ist. Seit April diesen Jahres beobachtet Dr. Wolfgang Schrempp (51), gelernter Psychologe, Politologe, Pädagoge, Maschinen﷓ und Fahrzeugbauer sowie jüngerer Bruder von "DC"﷓Chef Jürgen Schrempp, das Markefing﷓Feuerwerk seiner italienischen Kollegen aus nächster Nähe.

Der Präsident von Daimler Chrysler Italia, jüngster von drei Brüdern, hat sich seinen Traumjob in Italien redlich verdient. Von 1989 bis 1993 leitete er als quer einsteigender ehemaliger Schulleiter zunächst das Produkt﷓und Verkaufstrainirig von Daimler﷓Benz, danach bis 1995 deren Freiburger Niederlassung. Darm folgte die Meisterprüfung: In nur fünf Jahren bugsierte er als Chef die schwer daniederliegende Münchener Niederlassung seiner Firma (Rang 39 auf der nationalen Ranglistet in die deutsche Spitzengrtippe.

Und nun sitzt der Mann mit den vielen Talenten in der smart﷓Hauptstadt und bilanziert:"Eins steht fest: Der ganze europäische smart﷓Kosmos kann von den Italienern lernen. Die haben Herzblut in das Auto investiert, das zahlt sich jetzt aus. 30 000 Einheiten pro Jahr sind hier demnächst jährlich drin, da bin ich mir sicher."

Herzblut war auch bitter nötig, denn unumwunden gibt Wolfgang Schrempp zu: "Der smart stand wirklich kurz vor dem Gnadentod. Schließlich hat mein Bruder dann Kaiser Nero gespielt, aber den Daumen nicht gesenkt. Allerdings begleitet von Maßnahmen. wie sie die Firma nie zuvor erlebt hat: Das Band wurde angehalten,

die Mannschaft ausgewechselt die alte Strategie über Bord geworfen. Dem wir haben mit dem Auto die falschen Leute angesprochen."

Weg also mit Reduce to the Max" und der abgehobenen Trendy﷓Lustmobil﷓Kampagne und hin zum männlichen, durchschnittlich 40﷓jährigen, zu 62 Prozent verheirateten Kunden aus der gehobenen Gesellschaftsklasse.

"Entscheidend war auch die komplette Integration des smart in die DaimlerChryslerOrganisation als eine von sechs Pkw﷓Marken", sagt er und zeigt um in der Piazza San Lorenzo den wunderbar in die Architektur eingegliederten einzigen Autosalon im Herzen der Ewigen Stadt ﷓ ein smart﷓Center.

Und wie zufällig kommt da ein gewisser Signor Franco Ruteffi des Weges und plaudert mit Wolfgang Schrempp und uns über den Mobilitätsgewinn der Millionenstadt durch den vermehrten Einsatz von abgasfreundlichen Citycars.

Rutelfi ist das überaus behebte Stadtoberhaupt von Rom ﷓und ein Mann, der als künftiger Ministerpräsident Italiens gehandelt wird.

~Künftig" ist das Stichwort. Fur Rom. Und für den Rest der WelL Denn womöglich erlebt sie demnächst das zweite smart﷓Wunder. Dass sich närnlieh mit einem ganz kleinen Auto ganz großes Geld verdieneu lässt. Allem Ermessen nach in Italien zwei Jahre früher als in Deutschland, wo wohl 2004 die erste schwarze Null auf dem Konto erscheint. Was beweist: Alles kommt zu dem, der war﷓

ten kann. Jörg Wigand Auto Bild Nr.30 Juli 2000

ps fehler meinen texterkennung sind zu entschuldigen