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Zetsche zum Thema "smart": Jetzt wir es klappen!

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Tach alle!

 

Gefunden in der DIE ZEIT.

 

 

 

»Wir haben keine andere Wahl«

 

Seit der Fusion hat DaimlerChrysler seine Ziele verfehlt. Und jetzt? Konzernchef Dieter Zetsche über 40.000 gestrichene Stellen, Fehler seiner Vorgänger, neue Ziele und seinen Hang zur Show. Ein Gespräch in voller Fahrt

 

Sein Lebenslauf deutet auf einen nüchternen Techniker hin: Als frisch gebackener Diplomingenieur geht Dieter Zetsche zu Daimler, arbeitet sich hoch und zieht schließlich in den Vorstand ein. Die Sanierung von Chrysler bereitet den Weg zum großen Karrieresprung: Nun ist er der Chef.

 

Nüchtern? Tatsächlich mag der 53-Jährige die Inszenierung. Auf der Detroiter Automesse posiert er schon mal im Jeep mit Cowboyhut, auf dem Genfer Autosalon lässt er mit der E-Gitarre Glas zerspringen oder fährt mit einem Tandem auf die Bühne. Vergangene Woche orderte er nun für eine Million Euro Daimler-Aktien – nicht über günstige Vorstandsoptionen, sondern wie jedermann an der Börse. Wieder so eine Symbolhandlung. Sie soll Mitarbeitern und Aktionären Vertrauen einflößen: Hier glaubt einer an seinen Erfolg. In derselben Woche kürt ihn das US-Magazin Time zu einem der hundert einflussreichsten Menschen des Planeten, und Bundeskanzlerin Angela Merkel holt ihn in ihren neuen Innovationsrat.

 

Für das ZEIT-Gespräch lenkt Zetsche nacheinander die drei Spitzenprodukte des Konzerns über die Straßen rund um Stuttgart: einen Chrysler, einen Mercedes und einen Sattelschlepper. Und zumindest am Steuer erlaubt sich der Chef nur einen Fehler.

 

DIE ZEIT: Herr Zetsche, sagt Ihnen die Zahl 40.800 etwas?

 

Dieter Zetsche: Nein.

 

ZEIT: Das ist die Summe der Jobs, die Sie jeweils nach einer Amtsübernahme auf die Streichliste gesetzt haben: 26000 Stellen bei Chrysler, 8500 bei Mercedes, 300 bei Smart und jetzt 6000 in der Verwaltung von DaimlerChrysler. Ist Ihnen der Konzern damit schlank genug?

 

Zetsche: Personalabbau ist kein Ziel an sich. Unser Ziel ist es, das Unternehmen nachhaltig wettbewerbsfähig zu machen, dann sichern wir langfristig auch Arbeitsplätze und Standorte. Diese Maßnahmen, die Sie nennen, waren durch den Wettbewerb bestimmt. Im Moment sind keine weiteren geplant.

 

Zetsche, der angeblich jedes neue Automodell des Konzerns testet und mit der Konkurrenz vergleicht, steuert einen silbergrauen Chrysler 300C. Mit bulligen Modellen wie diesem hat er die Wende bei Chrysler geschafft. Vom Hinterradantrieb bis zum Automatikgetriebe hat viel Mercedes-Technik dabei geholfen. Das Testexemplar ist mit einem 218 PS starken Diesel aus dem Berliner Motorenwerk ausgerüstet. Theoretisch kommt das Auto im Schnitt mit gut acht Liter Sprit aus. Den Diesel gibt es allerdings bislang nur in Europa zu kaufen.

 

 

ZEIT: Also müssen die Arbeiter in Ihren Lkw-Werken nicht zittern?

 

Zetsche: Da ist derzeit nichts in Vorbereitung.

 

ZEIT: Volkswagen will ebenfalls massiv Stellen streichen. Wird die Autoindustrie in Deutschland künftig immer weniger Menschen beschäftigen?

 

Zetsche: Erstens hängt heute jeder siebte Arbeitsplatz hierzulande von der Automobilindustrie ab, wir spielen also eine zentrale Rolle. Zweitens: Wenn wir den hohen deutschen Lebensstandard verteidigen wollen, müssen wir uns bei der Produktivität mit anderen Standorten messen. Da haben wir als Branche in den vergangenen Jahren unsere Hausaufgaben nicht konsequent erledigt – deswegen heute dieser Nachholbedarf. Drittens: Für Mercedes-Benz hoffe ich, dass wir mehr Autos absetzen und dann profitabel wachsen.

 

ZEIT: Bei der Neuauflage eines Modells steigern Sie und Ihre Konkurrenten heute die Produktivität um ein Viertel und mehr, das heißt, Sie kommen pro Auto mit 25 Prozent weniger Mitarbeitern aus. Da wird die Industrie insgesamt Jobs verlieren, nicht gewinnen.

 

Zetsche: Es ist in der Tat unwahrscheinlich, dass die Beschäftigung bei den hiesigen Automobilherstellern wächst. Erstens sinkt langfristig die Fertigungstiefe zugunsten der Zulieferer. Zweitens wächst in hoch entwickelten Volkswirtschaften langfristig der Beschäftigungsanteil des Dienstleistungssektors, während sich jener der Industrie verringert. Das ist ganz normal.

 

1999, am Ende des ersten Jahrs der Fusion, beschäftigte DaimlerChrysler 466.938 Menschen, Ende März 2006 waren es noch 368.853. Und der Abbau in der Verwaltung und bei Smart läuft noch.

 

ZEIT: Zulieferer, Universitäten, öffentliche Aufmerksamkeit – die deutsche Wirtschaft ist abhängig vom Auto. Fehlen ihr deswegen die Ressourcen, um sich hinreichend auf neue Märkte zu konzentrieren?

 

Zetsche: Das Automobil saugt keine Ressourcen auf, im Gegenteil. Es hilft der Volkswirtschaft, wenn wir jede Chance nutzen, mit deutschen Automobilen in der Welt erfolgreich zu sein. Unabhängig davon müssen die Deutschen auch in anderen Feldern ihre Talente einsetzen und sich aufs Unternehmertum und die Schaffung neuer Geschäfte konzentrieren. Sie können zudem überall auf der Welt sehen, dass neue Arbeitsplätze überwiegend im Mittelstand oder bei Existenzgründern entstehen.

 

ZEIT: Wenn Konzerne wie Daimler oder Siemens ihre Krisen durch Maßnahmen wie Altersteilzeit bewältigen, zahlt die Allgemeinheit mit. Von den späteren Gewinnen bekommt sie aber immer weniger ab. Ist das Ihre gesellschaftliche Verantwortung?

 

Zetsche: Eine höchst einseitige Betrachtungsweise haben Sie da. Unternehmen wie das unsere zahlen hohe Steuern…

 

ZEIT: …welchen Anteil Ihrer Steuern führen Sie denn in Deutschland ab?

 

Zetsche: Einen hohen Teil. Zudem investieren wir weltweit jährlich rund 5,6 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung, davon den größten Teil in Deutschland. Wir modernisieren mit hohen Investitionen Arbeitsplätze und haben gerade erst die Ausbildungsquote um fünf Prozent erhöht. Sie müssen auch sehen, dass wir nur etwa 19 Prozent unseres Marktes in Deutschland haben, aber über 50 Prozent unserer Beschäftigung.

 

Im Sommer 2005 war der interne Machtkampf um den Chefsessel entschieden. Der unterlegene Rivale Eckard Cordes verließ die Mercedes Car Group (Mercedes, Smart, Maybach), und Dieter Zetsche übernahm. Schnell strich er dort 8500 Stellen. Langjährige Mitarbeiter konnten bis zu 250000 Euro Abfindung kassieren. Auch als er an die Spitze von DaimlerChrysler rückte, behielt er den Mercedes-Job – und sparte dem Konzern eine Vorstandsstelle. Nach diesem Prinzip will er überflüssige Doppelfunktionen im Konzern beseitigen.

 

ZEIT: Sie haben gerade Ihr neues Managementmodell für DaimlerChrysler verkündet: minus zwanzig Prozent bei den Verwaltungsstellen! Von den Leitenden soll sogar jeder dritte Manager gehen. Das ist ein Kulturschock. Wo soll da die Motivation herkommen?

 

Zetsche: Mit diesem Programm sollen die Entscheidungsstrukturen schlanker und effektiver werden. Alle stimmen zu bei uns, dass wir uns die überbordende Bürokratie nicht mehr leisten dürfen – selbst die meisten derjenigen, die nun betroffen sind. Natürlich stellt das Programm eine Zäsur im Leben vieler Mitarbeiter dar. Aber im Moment ist das Entscheidende, dass wir schneller und wettbewerbsfähiger werden. Wir haben keine andere Wahl, wenn wir unser Unternehmen zukunftsfähig machen wollen.

 

ZEIT: Die Arbeiter bei Mercedes hätten ihr Selbstverständnis als deutsche Arbeiterelite eingebüßt, hat der ehemalige BMW-Chef Eberhard von Kuenheim gesagt. Gilt das jetzt analog für das Management?

 

Zetsche: Ich glaube nicht, dass diese Einschätzung stimmt. Das alte Selbstverständnis hat jedenfalls nicht nur positive Aspekte gehabt. Das Unternehmen wurde teilweise als Institution missverstanden, deren Erfolg ein Naturgesetz ist. Diese Veränderung im Denken, in der Kultur, ist Ausdruck einer positiven Entwicklung.

 

ZEIT: Sie gelten als Manager zum Anfassen. Haben Sie dieses Image bewusst aufgebaut, um den Konzern leichter umbauen zu können?

 

Zetsche: Ich verbringe zu viel Zeit meines Lebens mit dem Beruf, um da eine Person sein zu wollen, die ich nicht bin. Vor den allermeisten Menschen habe ich Respekt, unabhängig von ihrer Aufgabe, und das hilft mir, Zugang und Gehör zu finden.

 

Zetsche gilt als einer, der Kritik erträgt und keine Lobeshymnen braucht. Der Stil des Chefs sei auch im Alltag locker, erzählt ein enger Mitarbeiter. Aber in der Sache sei er gnadenlos effizient.

 

ZEIT: Einen Vertrauensvorschuss haben Sie vor allem von den Aktionären erhalten. Seit bekannt wurde, dass Sie Jürgen Schrempp als Konzernchef ablösen, ist der Aktienkurs um fast die Hälfte gestiegen. Nun kam nach den jüngsten Zahlen der erste Dämpfer.

 

Zetsche: Wir wollen das Unternehmen langfristig verbessern und nicht eben mal ein Feuerwerk zünden, um damit uneinlösbare Erwartungen zu schüren. Mercedes beispielsweise bewegt sich zuverlässig auf die im nächsten Jahr angestrebte Umsatzrendite von sieben Prozent zu. Die Chrysler Group behauptet sich erfolgreich in einem schwierigen Umfeld, und auch die Truck Group ist gut unterwegs. Und wenn ein Analyst für ein Quartal mal mehr erwartet, sage ich nur: In der Ruhe liegt die Kraft!

 

ZEIT: Mercedes war einst der Inbegriff der Zuverlässigkeit – bis zum Einbruch der Qualität. In der Folge musste man BMW vorbeiziehen lassen. Und jetzt? Für was soll Mercedes unter Zetsche stehen?

 

Zetsche: Erfolg heißt nicht immer mehr Absatz. Die Qualität haben wir jetzt im Griff. Wir wollen die Premiummarke sein, mit dem stärksten Image und der stärksten Begehrlichkeit bei den Kunden.

 

Zetsche fährt im Cruising-Tempo. Der vorausfahrende Begleitwagen hat eine Lücke gelassen. Er drückt aufs Gas – mal zeigen, was beim 300C so geht. Viel Kraft! Dann der Wechsel zu dem Auto, das Zetsche neuerdings als Dienstwagen täglich fährt: die neue S-Klasse. Silbermetallic. 12 Zylinder, versteht sich. 517 PS stehen zur Verfügung. Auch dank dieser Baureihe zogen die Mercedes-Verkäufe 2006 weltweit bis Ende April um sieben Prozent an.

 

ZEIT: Ihre Vorgänger an der Daimler-Spitze, Edzard Reuter und Jürgen Schrempp, hatten große Visionen. Sie nicht.

 

Zetsche: Wir wollen die besten Autos der Welt entwickeln, diese kostengünstig produzieren, sodass sie Spaß, Wert und Akzeptanz beim Kunden erzeugen – und auch bei unseren Mitarbeitern und Aktionären. Das heißt ganz einfach: Wir konzentrieren uns auf die Basisarbeit und wollen eines der besten Automobilunternehmen der Welt sein.

 

ZEIT: DaimlerChrysler sollte ja schon bis 2001 der »erfolgreichste Anbieter von Automobilen« werden. Das ging daneben. Doch die Verantwortlichen kamen unbeschadet davon und können jetzt einen hoch dotierten Ruhestand genießen.

 

Zetsche: Ich bin ja selbst kein Neuzugang im Konzern, sondern gehöre seit vielen Jahren dem Vorstand an, also verantworte ich die Vergangenheit auch mit. Da ist auch Großartiges geleistet worden. Die Fusion von Daimler und Chrysler wird langfristig unsere große Stärke sein. Jeder hat seine Aufgaben, und ich habe davon jetzt auch nicht zu knapp.

 

Im seinem ersten Geschäftsjahr, 1999, erzielte der fusionierte DaimlerChrysler-Konzern 10,6 Milliarden Euro »Operating Profit« vor Steuern. 2005 war es nur halb so viel. Für 2006 hat Zetsche den Aktionären »über 6 Milliarden« avisiert.

 

ZEIT: Erfolgreiche Manager sollen viel verdienen; Manager, die ihre gesteckten Ziele oder aber das Marktniveau nicht erreichen, aber nicht. Oder?

 

Zetsche: Da sind wir uns absolut einig.

 

ZEIT: Wurmt es Sie, dass es in den Großunternehmen nicht gelungen ist, die Vorstände an Erfolg und Misserfolg gleichermaßen zu beteiligen?

 

Zetsche: Wir sind unterwegs zu Vergütungssystemen, die dieses Leistungsprinzip sehr viel deutlicher reflektieren als früher. Bei DaimlerChrysler haben wir das schon sehr gut umgesetzt. Persönlich wurmt mich das alles kaum, weil ich letztlich meine Motivation nicht aus dem Scheck ziehe, den ich bekomme oder ein anderer.

 

Nach der Fusion wurden die Gehälter der ehemaligen Daimler-Vorstände sogleich auf das höhere US-Niveau gehoben. Jürgen Schrempp weigerte sich, sein Gehalt offen zu legen, Dieter Zetsche wird es für 2006 veröffentlichen. So viel weiß man schon: 1,5 Millionen Euro Grundgehalt plus Bonus plus Aktienoptionen.

 

ZEIT: Sie haben einmal gesagt, dass die Mercedes-Leute von ihren Chrysler-Kollegen lernen könnten. Was denn?

 

Zetsche: Wir lernen heute schon gegenseitig voneinander. Wenn wir alles, was wir in diesem Unternehmen wissen und können, allen zugänglich machen und überall anwenden, dann würden wir einen Riesenschritt vorankommen.

 

ZEIT: Das sagen alle Konzernchefs. Warum gelingt das so selten?

 

Zetsche: Das braucht eine ganze Menge Zeit, wahrscheinlich auch das Durchschreiten von Krisen. Jetzt können wir vorankommen – durch meine eigene Biografie mit der Arbeit auf beiden Seiten des Atlantiks habe ich persönlich die Chance, dazu einen großen Beitrag zu leisten.

 

ZEIT: Händler und Stammkunden schimpfen, die Mercedes-Palette sei unübersichtlich geworden und die Vorratshaltung unnötig teuer. Brauchen Sie wirklich all diese Modelle und Motorvarianten?

 

Zetsche: BMW und Audi brüsten sich damit, bald so viele oder sogar mehr verschiedene Fahrzeuge anzubieten als Mercedes. Unabhängig davon sollte man sich aber ausschließlich an den Bedürfnissen des Kunden orientieren.

 

ZEIT: Zum Beispiel?

 

Zetsche: Sie müssen nur die Liste der Sonderausstattungen aufschlagen, etwa bei der S-Klasse. Da gibt es schwer durchschaubare Varianten für die Innenausstattung, fürs Radio und dann noch deren Kombinationsmöglichkeiten – es ist schwer, sich da zurechtzufinden. Da sind wir vielleicht zu weit gegangen. Wie so oft hat Volkes Meinung einen wahren Kern.

 

Ohne Störung erreicht Zetsche die nächste Wechselstation. Ein schwerer Sattelzug der Modellreihe Actros steht bereit. Der drahtige Konzernchef klettert schnell in die hochgelegene Pilotenkanzel und startet das monströse Gefährt. Ganz so locker wie beim Steuern der Pkw wirkt er nicht.

 

ZEIT: Ihr Aushängeschild ist der Erfolg bei Chrysler – wo jetzt die Gewinne einbrechen und die Rabatte hoch sind…

 

Zetsche: …wenn man die vergangenen fünf Jahre Revue passieren lässt, dann hat sich Chrysler zu keinem Zeitpunkt so positiv von Ford und General Motors unterschieden wie heute. Und doch ist die Konkurrenz mit den nichtamerikanischen Marken nie so intensiv gewesen. Wir hatten uns in einer Zwischenetappe als Ziel gesetzt, der stärkste der drei Amerikaner zu werden. Wir sind den Japanern erheblich näher gekommen. 2007 können wir bei Qualität und Effizienz auf dem Niveau der Besten – also Toyota und Nissan –sein.

 

ZEIT: Hand drauf: Ein Chrysler- oder Dodge-Auto macht künftig genauso wenig Ärger wie ein Toyota?

 

Zetsche: Daran arbeiten wir hart und sind auch schon nah dran.

 

Störung! Ein lauter Warnton ertönt. Das sei der Spurhaltewächter, sagt Zetsche, der schon als junger Assistent des Entwicklungschefs den Lkw-Führerschein machte. Zur Demonstration fährt er gleich nochmals über die weiße Begrenzungslinie der Fahrbahn. Danach schaltet er den nervigen Warnautomaten ab.

 

ZEIT: Jeder Konzernteil hat seine Krise gehabt oder hat sie noch. Wie Smart, wie Mitsubishi Motors, wie Chrysler, die Lkws. Ist ein Konzern mit so vielen Marken überhaupt regierbar?

 

Zetsche: Wenn man sich auf das Autobauen konzentriert und klare Ziele setzt, eindeutig ja.

 

ZEIT: Warum versagt ein Konzern mit so viel Erfahrung dabei, Smart profitabel auszurichten? Die Irrfahrt dauert nun schon acht Jahre.

 

Zetsche: Jetzt wird es klappen. Wobei man sagen muss, dass selten eine Marke in nur acht Jahren ein so starkes, positives Image erworben hat. Aber natürlich wollen wir auch Geld verdienen. Aber Wettbewerber wie Mini von BMW haben bislang nie nachgewiesen, dass sich ihr Geschäft rentiert. Und keinen hat es gestört.

 

ZEIT: Der Benzinpreis steigt und steigt. Irgendwann machen Ihre Kunden vielleicht nicht mehr mit. Wie gut sind Sie vorbereitet auf einen solchen Schock?

 

Zetsche: Wir haben verbrauchsgünstige Modelle bei Dodge, Smart. Und wir haben vor allem in der Mercedes-Flotte seit 1990 den durchschnittlichen Verbrauch um 30 Prozent gesenkt.

 

ZEIT: Gleichwohl hat die deutsche Autoindustrie, Umweltinnovationen wie den Rußfilter oder den Hybrid-Antrieb verschlafen. Aus Arroganz?

 

Zetsche: Heute sind wir die Nummer eins bei Rußfiltern. Beim Hybrid sind wir Deutschen spät dran, stimmt. Der lohnt sich tatsächlich nur in der Stadt, wie die Ingenieure wissen. Aber wir haben den psychologischen Effekt übersehen, vor allem in den USA.

 

Der 18-Tonner mit 551 PS unter der Haube rollt zügig über die Autobahn. Plötzlich schneidet ein Mercedes-Kombi das schwere Gespann von links, um noch die Ausfahrt zu schaffen. Dieter Zetsche zwingt sich zur Ruhe. Normalerweise hätte er jetzt kräftig gehupt, meint er. Mindestens.

 

ZEIT: Toyota ist durch den Hybrid in den Vereinigten Staaten cool geworden. Was macht Mercedes, um cool zu werden?

 

Zetsche: Mit dem BlueTec-Diesel, so sauber wie ein sauberer Benziner mit geringerem Verbrauch, könnte das gelingen. Sie können sicher sein: Wir werden Mercedes wieder zur begehrenswertesten Marke auf der Welt machen und haben uns dazu einiges einfallen lassen.

 

ZEIT: Erzählen Sie mehr.

 

Zetsche: Lassen sie sich überraschen.

 

ZEIT: Wenn Sie mit der E-Gitarre auf der Automesse auftreten, wollen Sie für Daimler cool sein.

 

Zetsche: Wir wollen natürlich das Unternehmen sein, mit dem sich zu beschäftigen Spaß macht. Auch durch Unterhaltungswert wie auf Autoshows. Mir liegt das durchaus.

 

ZEIT: Sie haben gerade für knapp eine Million Euro Aktien ihres Unternehmens gekauft. Ist das auch Teil der Zetsche-Show?

 

Zetsche: Es ist der Ausdruck meines Vertrauens in den nachhaltigen Erfolg unseres Unternehmens. Wie jeder andere Mitarbeiter habe ich meinen Jahresbonus angelegt – wie ich denke, sehr attraktiv.

 

ZEIT: Mercedes hat eine besonders alte Käuferschaft. Sollen Ihre Kunden jünger werden?

 

Zetsche: Vorsicht mit dem Jugendwahn! Der hat seinen Höhepunkt überschritten. Der ältere Teil der Gesellschaft wächst in seiner Relevanz, »young at heart« ist letztlich das Thema. Wir wollen also nicht bieder und altbacken daherkommen, aber auch reifere Kunden optimal ansprechen.

 

ZEIT: Ihre Ziele sind auf mehrere Jahreangelegt – Finanzinvestoren denken oft kurzfristig. DaimlerChrysler hat keinen schützenden Großaktionär wie BMW oder neuerdings Volkswagen.

 

Zetsche: Der beste Schutz ist eine gute Performance, und die wollen wir so oder so. Ich will keinen Aktionär, der schützend die Hand über uns hält. Das kurzfristige Verhalten des Kapitalmarktes ist auch ein Stück überbetont. Für viele Investoren sind längerfristige Perspektiven des Managements ganz wichtig.

 

ZEIT: Die deutsche Wirtschaft hat eine neue Generation von Chefs. Sie, Klaus Kleinfeld von Siemens, Michael Diekmann von der Allianz. Was eint sie gegenüber ihren Vorgängern?

 

Zetsche: Es gibt da sicher kein Stereotyp. Aber ich sehe viel Pragmatismus. Der Schwerpunkt liegt stärker auf der Performance des Unternehmens – auf Jahresfrist und auch auf zwei, drei Jahre gerichtet. Wir sind kulturell offen und vertraut mit dem amerikanischen Markt.

 

ZEIT: Was wird diese Managergeneration mit Deutschland machen?

 

Zetsche: Hoffentlich leistet sie einen wichtigen Beitrag, um Deutschland für den globalen Wettbewerb, der ja nicht nur zwischen Unternehmen, sondern auch zwischen Nationen stattfindet, zukunftsfähig zu machen. Dann haben die Menschen hier eine bessere Perspektive.

 

ZEIT: Das Time-Magazin hat Sie als einen von vier Deutschen unter die 100 einflussreichsten Menschen der Welt gewählt. Wofür setzen Sie diese Prominenz ein?

 

Zetsche: Erstens darf man sich nicht für so wichtig halten. Zweitens gibt mir meine herausgehobene Funktion die Chance, offene Ohren in den verschiedensten Bereichen zu finden.

 

ZEIT: Dann könnten Sie doch versuchen, die anstehende Mehrwertsteuererhöhung zu kappen.

 

Zetsche: Bestimmt werde ich mich nicht öffentlich gegen solche beschlossenen Maßnahmen stellen. Besser, ich versuche offene Entscheidungen zu beeinflussen. Die jüngst angefachte Diskussion über eine noch stärkere Steuerbelastung – egal, wo – ist gefährlich. Ich habe Verständnis für Versuche der Konsolidierung. Aber die Staatsquote darf nicht steigen, sie muss sinken. Die Wirtschaft braucht Spielraum für mehr Wachstum.

 

Auf der engen Abfahrt ist der Fahrer hoch konzentriert. Gut gemacht, wird der mitfahrende Actros-Mechaniker später ungefragt sagen. Der Laster nähert sich dem neuen Mercedes-Benz Museum in Untertürkheim, gleich neben dem Stammwerk. Dorthin hat Zetsche auch die Unternehmenszentrale zurückverlegt, um nahe an der Basis zu sein. Im Kreisel direkt vor dem Museum verpasst Zetsche die Ausfahrt und dreht unfreiwillig eine Ehrenrunde. Dann ist er am Ziel, steigt vorschriftsmäßig die vier Stufen rückwärts vom Bock und zeigt ein entspanntes Lächeln.

 

ZEIT: Gerhard Schröder und und Jürgen Schrempp bezeichneten sich gegenseitig als gutes Team. Merkel und Zetsche auch?

 

Zetsche: Aus meiner Sicht stimmt die Chemie.

 

ZEIT: Neben Angela Merkel und Franz Beckenbauer gehört auch der Papst laut Time zu den einflussreichsten Personen. Mit ihm verbindet Sie weniger, oder?

 

Zetsche: Ich bin Christ, insofern ist da eine Verbindung.

 

Das Gespräch führten Uwe Jean Heuser und Dietmar H. Lamparter

 

 

DIE ZEIT, 11.05.2006

 

20/2006

 

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I love you all!

 

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I love you all!

 

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Für GV ohne Horst S.!*

 

*GV = Grevenbroich • Horst S. = Horst Schlimm, Schlamm, Schlämmer

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Unglaublich interessant!

Dieser Beitrag zeigt die Denkungsweise der Manager, aber auch die der Journalisten.

 

Beeidruckend fand ich die Resonanz auf unsere Postings und auch Mails an den Konzern, der in diesem Abschnitt unverleugenbar zum Ausdruck kommt:

Quote:

Zetsche: Wir wollen das Unternehmen langfristig verbessern und nicht eben mal ein Feuerwerk zünden, um damit uneinlösbare Erwartungen zu schüren. Mercedes beispielsweise bewegt sich zuverlässig auf die im nächsten Jahr angestrebte Umsatzrendite von sieben Prozent zu. Die Chrysler Group behauptet sich erfolgreich in einem schwierigen Umfeld, und auch die Truck Group ist gut unterwegs. Und wenn ein Analyst für ein Quartal mal mehr erwartet, sage ich nur: In der Ruhe liegt die Kraft!

8-)

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In der Ruhe liegt die Kraft!

 


plaetzchenwolf im "Exil"

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Die Premiummarke Benz braucht weniger Nieten in Nadelstreifen, sondern mehr Sturrgarter, die konservativ denken- was nicht bedeutet, dass "Premiumgewinne" an Aktionaere verschenkt werden, sondern die Gewinne in Investitionen und in den Konzern wandern sollten....

Eine latente Fehlentwicklung, die sich im Schulterschluss mit einem der groeßten Oligarchen und Spezialisten (mit der ruhigen Hand) sah- und ebenso Unsummen in den Sand setzte...

Statt hochmuetige Gewogenheitsritter und Fehlqualifikanten sollte,- in der Politik und in der Wirtschaft,- mehr auf Fachleute mit kaufmaennischem Sachverstand oder gesundem Menschenverstand gesetzt werden.

Das Produkt ist ok- der Vertriebsweg krankt am Hochmut von Markenwahn und Hoehenflug.

Herr Zeche haette besser nicht nur meine Signatur genommen - was er von mir aus darf,- sondern auch ein wenig mehr Bodenstaendigkeit in den weiteren Aussagen.

(Wie das in Stuttgart traditionell ist)

***

Die Vorstands- und Managergehaelter sollten sich stets NUR an dem Unternehmensgewinn orientieren- wie auch die Gehaelter aller Aussendienstmitarbeiter und Filialisten- damit Qualitaetsdenken und Kundenfreundlichkeit allerhoechste Prioritaet bekommt und einer Premiummarke gerecht wird...

 

Interessant wuerde folgendes Nachforschen finden:

 

Wie hoch ist der Kapitaldienst (Aktionaere,Banken) am Endprodukt in der Kalkulation angesetzt?

 

 

 

 

 

 

8-) :roll:

 

-----------------

i nd err uh eli egtd iekr aft !

 

 

http://www.surfmusik.de/land/arkansas.html

KHKN KickinCountry 106.7 FM Arkansas Little Rock !

 

 

[ Diese Nachricht wurde editiert von plaetzchen-wolf am 21.06.2006 um 07:16 Uhr ]


plaetzchenwolf im "Exil"

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