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FTD: Antrieb aus der Steckdose

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Dossier

Antrieb aus der Steckdose

von Matthias Lambrecht (Berlin/Paris)

 

Mit Millionen von Stromtankstellen will Shai Agassi das Elektroauto massentauglich machen. Auf der ganzen Welt findet der ehemalige SAP-Manager dafür Unterstützung - nur die Deutschen trauen seiner Vision nicht.

 

Draußen vor dem Hotel fahren große, dunkle Limousinen vor: Audi, Mercedes, BMW. Shai Agassi steht im Foyer und wartet auf die Bundeskanzlerin, mit der er gleich auf dem Podium des Wirtschaftstags der CDU in Berlin sitzen wird. "Siehst du die Wolken, die da rauskommen", sagt der Ex-Vorstand des Softwarekonzerns SAP halb zu sich selbst und schüttelt den Kopf. "Wir bauen die falschen Autos."

 

Drinnen im großen Saal breitet er kurz darauf seine Vision von einer "Welt ohne Öl" aus. Einer Welt mit Elektroautos, die klimaschonend und lautlos dahingleiten und dabei pro Tag so viel Strom verbrauchen wie ein Laptop. Einer Welt, in der man für die gefahrenen Kilometer nur einen Bruchteil der heutigen Kosten für Benzin oder Diesel zahlt. Einer Welt, in der für S-Klassen, Cayennes oder 7er-Reihen schon bald kein Platz mehr ist. "Das ist das Projekt unserer Generation", wird er am Ende in den Saal rufen und dafür mehr Applaus bekommen als vor ihm die Kanzlerin.

 

 

Agassi hat für dieses Projekt vor gut einem Jahr seinen Vorstandsjob bei SAP aufgegeben, nach einer steilen Karriere und der Aussicht, dort mit kaum mehr als 40 Jahren die Nachfolge des Konzernchefs anzutreten. "Ich habe mich gefragt, was meine Leidenschaft ist", sagt er. Jetzt hat er sie gefunden, als Chef eines Startups mit knapp 50 Mitarbeitern in Palo Alto und Tel Aviv. Project Better Place heißt seine neue Firma, die die Welt aus der klimaschädlichen und politisch wie wirtschaftlich bedrohlichen Abhängigkeit vom Öl befreien soll.

 

Keine Ökoträumerei, sondern ein knallhart durchkalkuliertes Geschäftsmodell: Elektroautos will er wie Handys vermarkten - mit Leistungspaketen, in denen der Preis pro Kilometer deutlich unter dem heutiger Benzinkosten liegt. Die Lithium-Ionen-Batterien werden Reichweiten von mehr als 150 Kilometern mit einer Ladung ermöglichen. Better Place stellt den Strom über ein flächendeckendes Netz von Ladestationen zur Verfügung - an öffentlichen Parkplätzen, in Einkaufszentren oder vor Bürohäusern. Und natürlich können die Autos auch über Nacht zu Hause aufgeladen werden, wenn der Strom billig ist. Wer längere Strecken zurücklegen will, kann an Wechselstationen, die wie Tankstellen an den Hauptverkehrsadern liegen, den leeren Akku gegen einen vollen eintauschen. Die Batterien bleiben dabei im Besitz des Unternehmens.

 

Damit räumt Agassi die wichtigste Hürde beiseite, die bislang den Umstieg auf die umweltfreundliche Technik behindert: Denn die Lithium-Ionen-Akkus kosten immer noch rund 7000 Euro - das schreckt vom Kauf eines Elektroautos ab, auch wenn sich die Anschaffung dank der niedrigeren Kosten pro Kilometer nach einigen Jahren rechnet. Agassi nimmt dem Nutzer diese Investition ab - wie ein Mobilfunkkonzern, der Gratishandys ausgibt, damit schnell Kunden gewinnt und den Einsatz über die Gebühren wieder hereinholt. Mit einem Schlag könnte Better Place damit eine kostengünstige Alternative zu den herkömmlichen Automobilen bieten und wäre konkurrenzfähiger als Fahrzeuge mit Hybrid-, Brennstoffzellen-, oder Wasserstoffantrieb.

 

Agassis Modell ist mit dem Ölpreis gereift. Als er sein Unternehmen im vergangenen Herbst gründet, liegt der Preis pro Barrel bei 96 $. Inzwischen ist die 140-$-Marke erreicht - und Agassi macht eine einfache Rechnung auf: "Wenn es 1,50 Euro kostet, einen Liter Benzin zu kaufen, dann sind das etwa 15 Cent pro Kilometer - und ich weiß, dass wir das für 3 Cent anbieten können."

 

Die Branchenanalysten der Deutschen Bank haben nachgerechnet und kommen in einer kürzlich veröffentlichten Studie zu dem Ergebnis, dass Agassis Konzept zu "massiven Verwerfungen" in der Autoindustrie führen könnte - für schwerfällige Konzerne wie General Motors dürfte das Geschäft dann noch schwerer werden.

 

Chef von Renault-Nissan-Chef Carlos Ghosn will ab 2011 massenmarktfähige Elektroautos liefern

 

Ein ehemaliger Softwaremanager als Schrittmacher einer neuen automobilen Revolution? Carlos Ghosn, den Chef von Renault Nissan, hat er dafür immerhin schon als Partner gewinnen können. Der französisch-japanische Konzern wird ab 2011 massenmarktfähige Elektroautos mit auswechselbaren Batterien liefern: Vollwertige Fahrzeuge, schnell wie ein Benziner und nicht teurer in der Anschaffung. In der Konzernzentrale von Renault am Rande von Paris arbeitet Serge Yoccoz daran, dass die Visionen rechtzeitig Wirklichkeit werden. "Der Zeitplan ist eng", sagt er. Seit April ist er für die Entwicklung der Elektroautos verantwortlich, in die Renault-Nissan rund 1 Mrd. Euro investiert.

 

Die Expertise der Franzosen ist etwa beim Aufbau der Batteriewechselstationen gefragt. "Dabei hilft uns unsere Erfahrung in der Autoproduktion", sagt Yoccoz. Immerhin geht es darum, einen rund fünf Zentner schweren Akku in Minutenschnelle auszubauen und passgenau wieder einzusetzen. Agassi hat keine Zweifel, dass das klappt: "Wenn es länger dauert, bekommen Sie von uns während der Wartezeit einen Kaffee gratis!" Yoccoz weiß die Qualitäten seines Partners zu schätzen: "Shai ist sehr stark auf den Kunden orientiert", sagt er. "Er bringt mit seinem IT-Hintergrund andere Blickwinkel hinein - und das ist eine Bereicherung."

 

Die selbstbewussten Manager in Wolfsburg oder Stuttgart hat Agassi noch nicht auf seiner Seite. "Ausgesprochen spannend", lautet der höfliche Kommentar vom Cheflobbyisten der Branche, Matthias Wissman. Aber ob das Modell wirtschaftlich tragfähig sei, müsse sich noch erweisen. "In der deutschen Autoindustrie wird das Projekt von Agassi sehr skeptisch gesehen", sagt Gregor Matthies, Branchenexperte bei der Unternehmensberatung Bain & Company. "Dort glaubt man das mit den großen Versorgern und den Tankstellenkonzernen auch allein auf die Beine stellen zu können." Mercedes-Chef Dieter Zetsche zeigt dem Jungunternehmer denn auch die kalte Schulter: "Er hat ein Konzept, wir dafür den Vorteil, dass wir die technische Umsetzung und somit die gesamte Wertschöpfungskette beherrschen und damit Geld verdienen können."

 

Agassi wischt die Zweifel beiseite. "Niemand mag Veränderungen", sagt er. "Doch die Autohersteller wissen, dass sie das Spiel anders spielen müssen." Und er weiß, dass ihm wenig Zeit bleibt, seine Spielregeln zu etablieren. Seit Monaten fliegt er rastlos um den Globus, wirbt bei Regierungs- oder Firmenchefs, auf Branchenkonferenzen oder vor dem US-Kongress für seine Sache. Rund 200 Mio. $ Startkapital hat er eingesammelt, um den Aufbau der Infrastruktur zu finanzieren - eine Rekordsumme für ein Startup dieser Größenordnung. Zu Jahresbeginn hat er sein Geburtsland Israel als Erstes für seine Vision gewinnen können, im Frühjahr ist Dänemark hinzugekommen. In diesen Ländern wird Project Better Place bis 2011 jeweils eine halbe Million Ladestationen aufstellen.

 

Anders Eldrup hat die Kooperation mit Agassi immerhin schon einen PR-Coup von ungewohntem Ausmaß verschafft. "Keine Ankündigung, an der ich beteiligt war, hat je für ein vergleichbares Interesse gesorgt", sagt der Chef des dänischen Versorgers Dong Energy. Doch der Einsatz beim Aufbau der Infrastruktur ist zu hoch, als dass ein Imagegewinn als Rendite ausreichte. Experten haben Zweifel, dass sich die Aufwendungen rechnen: "Es ist vor allem fraglich, ob der Aufbau von Batteriewechselstationen sinnvoll ist. In drei bis fünf Jahren gibt es angesichts der technischen Entwicklung der Akkus keine Probleme mehr mit der Reichweite", sagt Rolf Adam von der Unternehmensberatung Booz & Company. "Die massiven Investitionen in die Infrastruktur werden sich aber so kaum schnell bezahlt machen."

 

Mithilfe von massiven Steuervorteilen hofft Eldrup den Anteil der Elektroautos in Dänemark bis 2020 auf ein Fünftel des Bestands zu bringen. Die halbe Million batteriegetriebenen Fahrzeuge könnten dann als rollende Speicher für den Windstrom dienen, der bereits 15 Prozent der Produktion von Dong in Dänemark ausmacht. Damit könnte etwa die bei Nacht gewonnene Energie über die Autoladestationen ins System eingespeist werden und tagsüber die Fahrzeugflotte antreiben. "Wir müssen schnell auf große Zahlen kommen, damit es ein echter Erfolg wird", sagt Eldrup.

 

Ohne die anderen großen Autohersteller wird das kaum gelingen. "Der Zug hat den Bahnhof bereits verlassen", sagt Agassi. "Die können nicht bis 2020 warten, weil sie eine Brennstoffzelle entwickeln, die besser ist als das, was wir hier machen." Er muss jetzt schnell ein großes Land für sein Modell gewinnen, um das Tempo zu halten und nicht von der Entwicklung überrollt zu werden. "Bis zum Jahresende werden wir einen G8-Staat dabeihaben", prophezeit er. "Dann ist es nicht mehr aufzuhalten."

 

Alles andere mag sich der erfolgsverwöhnte Manager nicht vorstellen. "Scheitern ist keine Option", sagt er. "Ich hätte bis vor einem Jahr alles machen können - wenn das schiefgeht, kann ich nichts mehr machen. Dies ist das Projekt meines Lebens."

 

Ehrgeiziges Projekt

 

Effizienz: Wegen der höheren Effizienz der Elektroautos hält sich der zusätzliche Stromverbrauch in Grenzen. Experten rechnen damit, dass der Bedarf in Deutschland um rund sechs Prozent steigen würde, wenn alle mit Strom führen.

 

Kosten: Die Lithium-Ionen-Batterien sind in der Anschaffung sehr teuer. Agassis Unternehmen bietet deshalb die Akkus mit dem Strom als Leistungspaket an und legt die Kosten der Batterie über die Nutzungszeit um.

 

Aufladen: In Einkaufsstraßen, vor Bürohäusern oder Wohnvierteln sollen die Ladestationen stehen. Project Better Place will in Israel und Dänemark jeweils rund eine halbe Million Steckdosen für die Elektroautos aufstellen. Gespräche soll es auch mit afrikanischen Staaten, den USA und Norwegen geben.

 

Austauschen: An Autobahnen und Ausfallstraßen sind Batteriewechselstationen geplant. Ist nach etwa 150 Kilometern der Akku leer, kann er hier gegen einen vollen ausgetauscht werden.

 

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Ich drück´ dem Kerl die Daumen - aber was aus Visionen wird, sieht man ja bei Hayek... :(

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